Italiens Finanzminister Giancarlo Giorgetti schlägt Alarm: Die US-Politik zu Stablecoins sei eine größere Bedrohung für Europas Finanzstabilität als die viel diskutierten Zölle. Lest hier, warum dollar-basierte Krypto-Assets den Euro unter Druck setzen könnten.
Italiens Wirtschafts- und Finanzminister Giancarlo Giorgetti hat eine deutliche Warnung ausgesprochen: Die US-Politik bezüglich Stablecoins stellt eine gravierendere Bedrohung für die europäische Finanzstabilität dar als die viel diskutierten Zölle unter Donald Trump. Bei einem Event in Mailand unterstrich er die akute Gefahr, dass diese Krypto-Assets die Dominanz des Euros im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr systematisch untergraben könnten. Während Zölle die Schlagzeilen dominieren, sei die neue US-Politik zu dollar-basierten Stablecoins laut Giorgetti „noch gefährlicher„.
Die Gefahr liegt im Mechanismus der Stablecoins, insbesondere der USD-gekoppelten Varianten. Sie erlauben Nutzern Investitionen in ein globales Zahlungsmittel für grenzüberschreitende Transaktionen, ohne ein US-Bankkonto zu benötigen. Giorgetti mahnte eindringlich davor, die wachsende Attraktivität dieser Assets für Europäer zu unterschätzen. Sie ermöglichen das Speichern von Werten und internationale Zahlungen abseits des traditionellen US-Bankensystems, was eine direkte Herausforderung für etablierte Finanzstrukturen darstellt und potenzielle Fiatverluste für den Euroraum bedeutet.
Ein weiteres kritisches Problem ist laut Giorgetti die Fragmentierung der EU-Zahlungsindustrie. Diese Zersplitterung schafft ein Umfeld, in dem externe Lösungen wie US-Stablecoins besonders attraktiv werden. Er forderte die Europäische Union daher auf, dringend weitere Schritte zu unternehmen, um den Status des Euros als internationale Referenzwährung zu festigen. Ohne eine kohärente europäische Antwort und eine Stärkung der eigenen Infrastruktur könnten externe Akteure leicht an Boden gewinnen und die Währungsunion schwächen.
Der digitale Euro wird entscheidend sein, um den Bedarf zu minimieren, auf ausländische Lösungen für grundlegende Zahlungsdienste zurückzugreifen.
Als zentrale Gegenmaßnahme treibt die Europäische Zentralbank (EZB) die Initiative zum digitalen Euro voran. Ziel ist die Schaffung eines zentralen digitalen Zahlungsmittels, das EU-Bürgern direkte Konten bei der EZB ermöglicht. Damit könnten Online-Zahlungen, Käufe im Handel oder Peer-to-Peer-Transfers ohne Rückgriff auf nicht-europäische Lösungen abgewickelt werden. Dies soll die monetäre Souveränität stärken und eine direkte Antwort auf die Herausforderungen durch externe digitale Währungen wie Stablecoins bieten.
Trotz der strategischen Bedeutung des digitalen Euros äußern europäische Banken erhebliche Bedenken. Sie fürchten einen massiven Abzug von Kundeneinlagen von kommerziellen Bankkonten hin zu den von der EZB gesicherten Wallets. Dieser potenzielle Liquiditätsabfluss könnte die traditionelle Bankenbranche erheblich schwächen und deren Geschäftsmodell gefährden. Die Debatte um die Ausgestaltung des digitalen Euros muss daher auch die Stabilität des bestehenden Finanzsystems berücksichtigen, um unerwünschte Nebeneffekte zu vermeiden.
Während Europa an einer Antwort arbeitet, bleibt die US-Regulierung von Stablecoins fragmentiert. Statt eines einheitlichen Rahmens wenden Behörden bestehende Gesetze an. Allerdings gibt es Bewegung: Der STABLE Act zielt auf mehr Transparenz bei Emittenten ab, insbesondere bezüglich der Rückdeckung der Token. Der GENIUS Act fordert 1:1-Reserven, AML-Konformität und Verbraucherschutz, um die Dominanz des US-Dollars zu fördern. Beide Gesetze müssen jedoch noch den gesamten Gesetzgebungsprozess durchlaufen.
Unterstützung für Giorgettis Kurs kommt auch von der EZB selbst. Exekutivdirektor Piero Cipollone forderte die europäischen Gesetzgeber ebenfalls auf, die Bemühungen gegen die Dominanz dollar-basierter Stablecoins zu intensivieren. Er sieht in der wachsenden Popularität dieser Assets eine ernste Bedrohung für den Euro und befürwortet die Einführung einer zentralen digitalen Währung (CBDC), um die monetäre Souveränität der Eurozone zu wahren und den Einfluss externer Akteure effektiv zu begrenzen.
Die Warnungen aus Italien und von der EZB machen die Dringlichkeit einer proaktiven Strategie deutlich, um die finanzielle Stabilität und Souveränität der EU zu sichern. Der digitale Euro und die Stärkung des Euros sind entscheidende Bausteine, um die Attraktivität externer Angebote wie US-Stablecoins zu reduzieren. Angesichts der rasanten Entwicklung von Finanztechnologien und deren globalem Einfluss ist ein koordiniertes, zukunftsorientiertes Handeln der EU unerlässlich, um die eigene finanzielle Unabhängigkeit langfristig zu bewahren.