Semler Scientific einigt sich mit dem US-Justizministerium auf eine Millionenzahlung wegen Betrugsvorwürfen rund um sein QuantaFlo-Gerät. Die Untersuchung deckte gravierende Patientenschäden auf. Brisant: Zur Finanzierung dient ein Kredit mit Bitcoin-Sicherheit, was Fragen zur finanziellen Lage aufwirft.
Semler Scientific, Inc., ein Spezialist für medizinische Diagnostik, hat einer Zahlung von 30 Millionen USD zugestimmt, um eine langjährige Untersuchung des US-Justizministeriums (DOJ) beizulegen. Im Kern standen Vorwürfe bezüglich Verstößen gegen den False Claims Act. Diese Einigung markiert einen vorläufigen Schlusspunkt unter Ermittlungen, die das Unternehmen seit Jahren begleiten und nun erhebliche finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen. Die Details werfen ein Schlaglicht auf die Risiken im Gesundheitssektor und die Entschlossenheit der Behörden bei der Verfolgung von mutmaßlichem Betrug.
Die Ermittlungen des DOJ begannen bereits im Juli 2017 mit einer ersten zivilen Ermittlungsaufforderung (CID). Untersucht wurde, ob Semler und Partner Tests mittels Photoplethysmographie-Technologie fälschlicherweise als durch Medicare erstattungsfähig deklarierten. Dies könnte gegen geltende Gesetze verstoßen haben. Weitere CIDs folgten in den Jahren 2019, 2021, 2022 und 2023, was die Hartnäckigkeit der Untersuchung unterstreicht und den Druck auf das Unternehmen sukzessive erhöhte. Die lange Dauer deutet auf komplexe Sachverhalte hin.
Im Zentrum der Untersuchung steht das von Semler entwickelte QuantaFlo-Gerät zur Diagnose der peripheren Arterienerkrankung (PAD). Kritiker bemängeln eine alarmierend hohe Rate an falsch positiven Ergebnissen – etwa achtmal höher als der Branchenstandard. Diese Ungenauigkeit führte nachweislich zu unnötigen medizinischen Eingriffen, die für Patienten erhebliche Risiken bargen. Die Zuverlässigkeit diagnostischer Instrumente ist fundamental, und Abweichungen können gravierende Folgen haben, wie die Ermittlungen schmerzlich offenbarten.
Ein besonders tragischer Fall betraf einen Veteranen, der durch ein falsch positives Ergebnis eine unnötige Operation erlitt, die letztendlich zur Amputation führte.
Zur Finanzierung der 30-Millionen-USD-Zahlung geht Semler einen ungewöhnlichen Weg: Das Unternehmen schloss eine Kreditvereinbarung mit der Kryptobörse Coinbase. Dabei wird der firmeneigene Bestand an Bitcoin als Sicherheit hinterlegt. Diese Strategie mag innovativ erscheinen, signalisiert aber möglicherweise finanzielle Engpässe, insbesondere angesichts des dramatischen Aktienkursverlusts von über 52% (von über 74 USD auf unter 35 USD seit Dezember 2024). Der Griff zu Krypto-Assets als Sicherheit könnte ein Indiz für Schwierigkeiten bei der Beschaffung traditioneller Fiat-Liquidität sein.
Die Einigung hat weitreichende Implikationen. Sie demonstriert die Entschlossenheit des DOJ, nicht nur finanziellen Betrug im Gesundheitswesen, sondern auch den daraus resultierenden Patientenschaden rigoros zu verfolgen. Die Untersuchung wirft zudem ein Licht auf andere Akteure wie Matrix Medical, Signify Health und große Versicherer (UnitedHealth, Aetna, BCBS), die mutmaßlich von der Vermarktung des QuantaFlo-Geräts profitierten. Es bleibt abzuwarten, ob auch gegen diese Unternehmen weitere Schritte eingeleitet werden.
Die Zukunft von Semler Scientific ist ungewiss. Neben der finanziellen Belastung durch die Vergleichszahlung kämpft das Unternehmen mit einem erheblichen Reputationsschaden. Die Notwendigkeit, auf eine unkonventionelle Finanzierung via Bitcoin-Kredit zurückzugreifen, nährt Zweifel an der langfristigen Stabilität. Zusätzlich hat die Anwaltskanzlei Kaskela Law LLC eine Untersuchung eingeleitet, ob das Management seine treuhänderischen Pflichten gegenüber Investoren verletzt hat, was weiteren juristischen Druck bedeutet.
Dieser Fall unterstreicht die immense Verantwortung von Unternehmen im Medizintechniksektor und die Konsequenzen bei Verstößen. Die Einigung mit dem DOJ ist ein klares Signal, dass Regulierungsbehörden bereit sind, hart durchzugreifen, um sowohl das Finanzsystem des Gesundheitswesens als auch die Patientensicherheit zu schützen. Für Semler beginnt nun die schwierige Aufgabe, Vertrauen zurückzugewinnen und einen Weg aus der Krise zu finden – eine Herausforderung, deren Ausgang offenbleibt. Laut Business Insider wird auch der Einsatz von Semler Scientifics QuantaFlo STAT untersucht.